Offener Brief Wärmedämmung
Betreff: Wärmedämmung in der Diskussion
Sehr geehrte Damen und Herren,
als besorgte Hausgemeinschaft wenden wir uns heute geschlossen an Sie. Wir haben große Bedenken hinsichtlich der von der GESOBAU AG geplanten Dämm-Maßnahmen, die uns mit der Modernisierungsankündigung vom 11. 11. 2014 in Aussicht gestellt wurden. Mit diesem Schreiben fordern wir Sie auf, in einem Pilotprojekt zur bauphysikalisch unbedenklichen und energetisch sinnvollen Sanierung unseres Wohnhauses mit uns zu kooperieren.
Begründung
Verfolgt man die in den Leitmedien der Bundesrepublik seit längerem virulente Debatte um die Nachteile der üblichen Verfahren zur Dämmung von Fassaden, so hat uns die GESOBAU AG Dämm-Maßnahmen angekündigt, deren Zweck und Angemessenheit von zahlreichen Fachleuten schlechthin in Zweifel gezogen werden. Sie selbst bestätigten im persönlichen Gespräch diese Zweifel – in Übereinstimmung mit Ihrer Aussage aus dem Jahr 2011, derzufolge bei den Altbauten der GESOBAU AG so „starke Mauerstärken“ vorhanden seien, dass „wir also keine Isolierung oder kein Wärmedämm-Verbundsystem vor[zu]setzen [brauchen]“(GESOBAU-DVD, 2011). Damit hat die GESOBAU AG implizit bereits klargestellt, dass die Energieeinsparung im Falle unseres Wohnhauses die geplanten Dämm-Maßnahmen nicht rechtfertigt – und dass die besagten Maßnahmen mit Verweis auf fehlende Wirtschaftlichkeit laut EnEV (siehe unten) nicht durchgeführt werden müssen. Wir möchten im Folgenden daher die wichtigsten, von Experten immer wieder in der öffentlichen Diskussion angesprochenen Nachteile dieser Maßnahmen anhand beispielhafter Quellen benennen:
1) Nicht nachweisbare Wirtschaftlichkeit
Der Deutsche Mieterbund spricht davon, dass im Falle der energetischen Sanierung durch Fassadendämmung und Einbau von Isolierfenstern Modernisierungsaufschläge drei- bis viermal höher ausfielen als die tatsächlich realisierbare Einsparung bei Heizung und Warmwasser. Der SPIEGEL (Nr, 49, S. 64) zitiert den Verein „Haus & Grund“, derzufolge sich die Dämmung von Häusern, die nicht aus der frühen Nachkriegszeit stammten, erst nach über 50 Jahren rentiere. Diese Sicht wurde unlängst auch in einem Gerichtsverfahren bestätigt, dass das Wohnhaus der GESOBAU AG, Pestalozzistraße 4, betrifft: Die Richterin urteilte mit Verweis auf jene Haustypen, die aus energetischen Gründen tatsächlich einer Dämmung bedürfen, dass die Mieter die Dämmung nicht dulden müssten.
2) Gesundheits- und Umweltschädlichkeit
Das GESOBAU-Haus Elsa-Brändström-Str. 30 ist ein beredtes Beispiel für die immer wieder nachgewiesene Gefahr des Schimmel- und Algenbefalls infolge Fassadendämmung und Einbaus von Isolierfenstern. Wir zitieren die „Welt“ vom 22. 7. 2011, die im übrigen darauf hinweist, dass bereits mehrere US-Bundesstaaten den Einbau von Dämmplatten-Verbundsystemen verboten haben:
„,Die hermetische Abdichtung des Wohnbereichs hat zu einer deutlichen Zunahme des Schimmelpilzbefalls geführt‘, berichtete bereits 2002 das Deutsche Ärzteblatt, das Fachorgan der Bundesärztekammer. Haben sich die kleinen Sporenträger im Wohnbereich eingenistet, können sie Asthma, Lungenemphyseme und sogar die mitunter tödlich verlaufende Aspergillose, eine Entzündung von Atemorganen, Haut- und Schleimhäuten, hervorrufen. Nach einer Hochrechnung von Medizinern der Universität Würzburg sterben jedes Jahr in Deutschland 2500 Menschen an den Folgen von Schimmelpilzinfektionen.“
Der SPIEGEL (Nr. 49, S. 63, 68–69) geht ausführlich auf die erhebliche chemische Belastung der hierzulande benutzten, mit dem umwelt- und gesundheitsschädlichen Stoff HBCD getränkten Styropordämmplatten ein. Er berichtet in diesem Zusammenhang davon, dass es für dieses Flammschutzmittel laut Umweltbundesamt ab August 2015 zu einem EU-weiten Handels- und Verwendungsverbot kommt. Ein Beitrag in „n-tv“(3. 12. 2014) erörtert detailliert die ungeklärte Problematik der Demontage und Entsorgung von Dämmplatten.
3) Erhalt der Fassade
Auf Nachfrage erklärten uns Experten, dass die Feinheiten und eleganten Verzierungen der Vorderfassade unseres Wohnhauses auch durch den geplanten Einsatz von Dämmputz nicht erhalten werden könnten. Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, wird in „Inforadio“ mit der klaren Feststellung zitiert, Fassadensanierung sei „vielfach baukulturell unwürdig‘“. Wir meinen, die Zeit der Verödung wertvoller Altbaufassaden sollte endgültig vorbei sein.
4) Brandgefahr
Im SPIEGEL (Nr. 49, S. 66–68) werden die Gründe für die besonderen Brandrisiken der Plattendämmung im Detail erläutert. Der Feuerwehrchef der Stadt Frankfurt (Main), Reinhard Ries, ebenda abschließend zitiert, schildert in drastischen Worten die Gefahr, die im Falle eines Brandes von Dämmplatten ausgeht. Und die Plattform „ INGENIEUR.DE“ lässt in einem ausführlichen Artikel Albrecht Broemme, ehemals Einsatzleiter der Berliner Feuerwehr bei dem bekannten Fassaden-Brand im Jahr 2009 in Berlin-Pankow (bei dem zwei Menschen starben), unter anderem mit folgender Aussage abschließend zu Wort kommen: „Wüssten die Menschen um das Brandrisiko, würden sie dagegen auf den Straßen protestieren.“ Diesen Gefahren möchten wir uns und unsere Kinder nicht aussetzen.
Wir fassen zusammen
Vor dem Hintergrund dieser Faktenlage scheint es weder mit den unternehmerischen und gemeinnutzverpflichteten Zielen der GESOBAU AG, noch mit den berechtigten Bedürfnissen der Mieter vereinbar, an dem angekündigten Verfahren für die energetischen Sanierung unseres Wohnhauses festzuhalten. Wir fordern deshalb, dass Sie mit uns gemeinsam darüber nachdenken, wie wir einen guten Weg für die energetische Sanierung unseres Hauses einschlagen können.
Dies könnte in der Form eines Pilotprojektes geschehen, bei dem wir als Mieterschaft gerne tatkräftig mitwirken. In diesem Projekt würde die energetische Sanierung unseres Wohnhauses auf bauphysikalisch unbedenklichem und energetisch sinnvollem Wege zustande gebracht werden. Die Initiierung eines solchen Pilotprojektes würde der GESOBAU AG nicht zuletzt eine positive mediale Öffentlichkeit verschaffen. Sie könnte als kommunaler Akteur eine Pionierrolle in der gegenwärtigen bundesweiten Auseinandersetzung um die Zukunft der energetischen Sanierung von Wohnhäusern einnehmen. Die Gesetzeslage spielt uns hierfür in die Hände. Wir zitieren:
- „(1) Die in den Rechtsverordnungen nach den §§ 1 bis 4 aufgestellten Anforderungen müssen nach dem Stand der Technik erfüllbar und für Gebäude gleicher Art und Nutzung wirtschaftlich vertretbar sein. Anforderungen gelten als wirtschaftlich vertretbar, wenn generell die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer durch die eintretenden Einsparungen erwirtschaftet werden können. Bei bestehenden Gebäuden ist die noch zu erwartende Nutzungsdauer zu berücksichtigen.
- (2) In den Rechtsverordnungen ist vorzusehen, dass auf Antrag von den Anforderungen befreit werden kann, soweit diese im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen.“
Quelle: EnEG § 5 Gemeinsame Voraussetzungen für Rechtsverordnungen (EnEV, HeizkostenVO)
Wir freuen uns auf Ihre Antwort und erhoffen ein baldiges Treffen zur Planung des Pilotprojektes.
Mit freundlichen Grüßen
die Hausgemeinschaft/ der Verein der Kavalierstr. 19/19a
Quellen
INGENIEUR.DE (1. 12. 2014): http://www.ingenieur.de/Themen/Verbraucherschutz/Haeuser-Styropordaemmun...
Ein gedämmtes Hochhaus steht in Flammen: Hochhaus in Grosny in Flammen (2013): https://www.youtube.com/watch?v=Tc7VYw9FHwQ
Fassadenbrand im Jahr 2009 in Berlin=Pankow: https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=ekD7vq18suA#t=34
Frankfurter Neue Presse (27. 11. 2014): Feuerwehrchef Reinhard Ries im Interview:
http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Fassaden-koennen-wie-Fackeln-brennen...
Frankfurter Rundschau (4. Dezember 2014): Fassaden-Dämmung macht meistens keinen Sinn: http://www.fr-online.de/vorsorge/energetische-sanierung-fassaden-
daemmung-macht-meistens-keinen-sinn,21157290,29236340.html
Lars Holborn (GESOBAU-DVD, 2011)
Reiner Nagel in „Inforadio“(3. 12. 2014): http://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/int/201412/03/213829.html
Neue Osnabrücker Zeitung (3. 12. 2014): Hauseigentümer kritisieren Förderung von Gebäudedämmung: http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/527669/hauseigentumer...
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n-tv (3. 12. 2014): Schimmel, Algen, Kosten – Wie schädlich ist Wärmedämmung?
http://www.n-tv.de/ratgeber/Wie-schaedlich-ist-Waermedaemmung-article140...
RTL Aktuell: (1. 12. 2014): Konrad Fischer macht sich ein Feuerchen im Garten – mit Styropor: http://www.express.de/vorsorge/styropor-daemmplatten-im-video-
so-leicht-koennen-ganze-haeuser-verbrennen,21107090,29226352.html
DER SPIEGEL, Nr. 49 (1. 12. 2014): Verdämmt in alle Ewigkeit, S. 63–70
Die Welt (22. 7. 2011): „Dämmplatten gefährden die Gesundheit“: http://www.welt.de/print/die_welt/finanzen/article13501182/Daemmplatten-...